Mit der Plastikschaufel gegen den Mist der Welt
Mit der Plastikschaufel gegen den Mist der Welt

Mit der Plastikschaufel gegen den Mist der Welt

Die Ereignisse der vergangenen Woche haben mich erschüttert, durchgerüttelt, mir die Sprache geraubt. Viele Menschen, klüger und wortgewandter als ich, haben dazu bereits ihre Meinung geäußert. Und ich will hier nicht wiederkäuen, was Andere schon so viel besser gesagt haben, als ich es jemals könnte.

Als Christin, also als Mensch, der an Jesus Christus glaubt, sein Wort als Maßstab für das eigene Leben ansieht, sind diese Ereignisse unerträglich. Da ist so viel falsch in dieser Welt. So viele Missstände: Hunger. Kriege. Ungerechtigkeit. Diskriminierungen. Folter. Zerstörung der Umwelt. Rüstungsexporte. Bildungsmangel. Kindersterblichkeit. Die Tatsache, dass in Ländern der sogenannten Dritten Welt Menschen an Krankheiten krepieren, die mit wenigen Euro heilbar wären. Obdachlose, die in unserem reichen Land erfrieren, weil es nicht genug Übernachtungsplätze für sie gibt. Überforderte Eltern. Misshandelte Kinder. Menschen, die alles haben – und dennoch emotional verhungern und leiden. Und was kann ich tun? Ich, Yvonne, kleines, schwaches, stotterndes und zitterndes Bündel Mensch? Ich stehe vor einem Misthaufen, gegen den der Stall des Augias eine von diesen Plastik-Sandkisten aus dem Baumarkt ist, und habe nichts in der Hand als die kleine Schaufel, die mein Sohn früher mit an den Strand genommen hat. Das schmerzt. Es dringt ganz tief ein und wird für mich sogar körperlich spürbar. Ich werde traurig. Wütend. Und irgendwann müde. Unendlich müde.

Mitten in diese Müdigkeit, diese Ohnmacht, fiel mir plötzlich ein, dass Jesus gesagt hat „liebe deinen Nächsten“. Er hat mir nicht den Auftrag gegeben, die Politik zu verändern, den Hunger abzuschaffen, alle Krankheiten zu heilen und aus der Welt ein Paradies zu machen. Selbst Mensch wusste er, dass das eine unmögliche Aufgabe ist, die niemand bewältigen kann. Und ich schon gar nicht. Deshalb „liebe deinen Nächsten“. Das heißt für mich, mich auf meine Fähigkeiten zu besinnen und die einzusetzen. Nicht irgendwo in Brüssel oder Washington. Sondern hier. Bei mir. Direkt vor meiner Haustür.

Ich bin ein Mensch. Schwach und alles andere als vollkommen. Aber ich kann lächeln, trösten, in den Arm nehmen, verteidigen, aufbauen, reden, zuhören, erklären, verstehen, vergeben. Ich kann für meine Überzeugungen geradestehen. Ich kann mich meinen Überzeugungen entsprechend verhalten. Und ich kann schreiben.

Das ist mein Job, meine Aufgabe. Meine Berufung. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

 

2 Kommentare

  1. liebe Yvonne, ich finde deine Sätze so aussagefähig, dass sie mich sehr berühren. „Liebe deinen Nächsten“ – im Kleinen beginnen, vor der eigenen Haustür. Wenn das jeder machen würde, gäbe es sicher weit weniger „Unglücke“ (von Hunger bis emotionalem Desinteresse …)
    Sie haben mich darin bestärkt, das Richtige getan zu haben, als ich ein Buch über Obdachlose, Junckies und Prostituierte recherchiert habe. Die Geschichten die ich erzählt bekam, waren oft berührend.
    Es macht mich so froh, dass ich damit doch einige Menschen berühren konnte, was Mails, die ich bekam, bestätigen.
    Weiter so und alles Gute
    Ursula

    1. YveW

      Liebe Ursula,

      danke, das freut mich sehr! Und ich bin beeindruckt, dass du in deinem Buch genau die drei Randgruppen ansprichst, die in unserer Gesellschaft ständig vergessen werden – weil „sie selbst schuld sind“. Eine Aussage, die schlicht ein Akt allgemeiner Verdrängung ist, denn es braucht nicht viel, um ganz unten anzukommen. Wunderbar, dass es Menschen wie dich gibt, die nicht aufstecken, auch wenn der Berg noch so hoch ist, der abgetragen werden muss. Sind wir schon zwei mit unseren Schaufelchen. <3

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